Buch zum Frühstück
In dieser Veranstaltungsreihe stellen wir Bücher zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten in einem Essay kompakt einander gegenüber. Gemeinsam entwickeln wir neue Gedanken und stellen diese zur Diskussion. Dazu gibt es Kaffee und Croissant.
Gemeinsam durch die Krise?
Betrachtungen zur COVID-19-Pandemie
Auszug aus dem Essay von ifz-Wissenschaftlerin Birgit Bahtić-Kunrath
Die COVID-19-Pandemie hat unsere Gesellschaften vor große Herausforderungen gestellt. Nach Jahren einer Ideologie des „schlanken Staates“ – ein Staat, der sich so weit wie möglich aus dem Leben seiner Bürger und Bürgerinnen heraushalten und insbesondere dem freien Wirtschaften keine Hindernisse in den Weg stellen soll – konnten wir erleben, wie staatliches Handeln wieder ins Zentrum rückte: Um Risikogruppen vor einer Erkrankung zu schützen, nahmen die Bürger und Bürgerinnen starke Einschnitte in ihr Alltagsleben hin; das Wort „Solidarität“ erfuhr eine Aufwertung. Mittlerweile bröckelt diese Solidarität jedoch; kritische Stimmen werden lauter und mitunter auch aggressiver. Nach 1,5 Jahren Pandemie ist eine umfassende Literatur zur Frage entstanden, wie mit dieser Krise aus welchen Gründen umgegangen wurde, ob der Umgang adäquat war oder nicht, und ob sich Chancen auf Neues ergaben oder sich alte Strukturen vielmehr verfestigt haben (siehe dazu etwa Holzinger 2020; Volkmer/Werner 2020). Die Pandemie wird dabei aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und dementsprechend unterschiedlich bewertet.
Das vorliegende Essay gibt einen kleinen Ausschnitt der breiten literarischen Debatte wider, indem drei aktuelle Bücher zum Thema vorgestellt und zueinander in Bezug gesetzt werden: Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht hat sich in seinem jüngsten Werk „Von der Pflicht. Eine Betrachtung“ mit unserem Verhältnis zu Staat und Gemeinwesen beschäftigt, welches während der Pandemie einer Prüfung unterzogen wurde (Precht 2021). Der Soziologe Reimer Gronemeyer legt in seinem Buch „Die Schwachen zuerst: Lektionen aus dem Lockdown“ den Fokus auf Menschen am Rande der Gesellschaft – Alte, Kranke, Arme – die seiner Ansicht nach nur vermeintlich geschützt wurden (Gronemeyer 2021). Die Coronakrise begreift Theologe Tomáš Halík in seiner Predigtsammlung „Die Zeit der leeren Kirchen“ wiederum als Chance, sich in unserer lauten Zeit wieder auf den Wert der Kontemplation zu besinnen, und als Gelegenheit, die katholische Kirche von Grund auf neu zu denken (Halík 2021).